türkische Musik.

türkische Musik.
tụ̈rkische Musik.
 
Die türkische Musik gründete als höfische Kunstmusik der Osmanen auf Stilprinzipien der transoxanisch-persischen Hofmusik, übermittelt durch die Schule des Abdülkadir Meraği (arabisch Abd al-Kadir al-Maraghi, * um 1350, ✝ 1435), der selbst noch unter Timur und seinen Söhnen in Samarkand und Herat gewirkt hatte. Ihr weitgehend »kompositorischer« Stil mit Melodiemodellen (makam; arabisch Maqam), denen meist siebenstufige Gebrauchsleitern mit unterschiedlich großen Ganz- und Halbtonschritten und komplexe rhythmische Muster (usul) zugrunde liegen, wurde in Konstantinopel weiterentwickelt und führte bis zum 19. Jahrhundert zu immer komplizierteren Formen. Mehrteilige »Konzerte« (fasɪl) mit Gesangssätzen (beste, şarkɪ, semai) und diese umrahmenden Instrumentalstücken (taksim, peşrev, saz semaisi) wurden in kammermusikalischer Besetzung auf (zum Teil heute nicht mehr gebräuchlichen) Instrumenten wie Laute (Ud), Hackbrett (Santur), Zither (Kanun), Langhalslaute (Tanbur), Streichinstrumenten (Rebab; kemençe, arabisch Kamangah) und Rohrflöte (Ney, arabisch Naj) gespielt, begleitet von Pauken (Kudüm) und anderen Rhythmusinstrumenten und geleitet vom »Obersänger« (ser-hânende) des Ensembles. Der Name des Komponisten Buhurîzade Mustafa Itrî (* 1640, ✝ 1712) steht für einen der Höhepunkte osmanischer Musikgeschichte, gefolgt von der musikalisch produktiven »Tulpenzeit« (lâle devri) unter Ahmed III. (1703-30). Als Komponist und Mäzen trat Selim III. (1789-1807) hervor und förderte u. a. den nach Itrî bekanntesten Musiker, Hamâmîzâde İsmai̇l Dede (* 1778, ✝ 1846). Europäische Anregungen machten sich seit der »Tulpenzeit« im Instrumentarium (Violine) und in Spielmanieren bemerkbar, in der Entwicklung eigener Notenschriften und wohl auch im Interesse für die eigene Musikgeschichte, das wesentlich stärker als in den islamischen Nachbarländern ausgeprägt ist. Im 19. Jahrhundert wurde bei Hof und im Konstantinopeler Bürgertum europäische Musik (Militär- und Klaviermusik, Oper) gleichwertig neben einheimischer Musik (zu nennen ist Zekâi Dede, * 1825, ✝ 1897) gepflegt, beidseitig mitgetragen von musikalisch »zweisprachigen« griechischen, armenischen und jüdischen Musikern. Außerdem berief der Sultanshof 1828 G. Donizetti zum Musikdirektor, und M. Kemal Atatürk beauftragte P. Hindemith, das Musikleben zu organisieren. Heute stehen epigonal traditionellem Musikschaffen eine (vom Schulunterricht an) westlich orientierte Musikpflege, auch in neuzeitlicher Komposition (Ahmed Adnan Saygun, * 1907, ✝ 1991) und v. a. Unterhaltungsmusik gegenüber.
 
Die einheimische Militärmusik, ursprünglich zentralasiatischer Herkunft, wurde unter den Osmanen mit Oboen, Trommeln, Schellenbaum und weiteren Blas- und Schlaginstrumenten in bis zu 300 Mann starker Besetzung gespielt und während der Türkenmode des 18. Jahrhunderts als Janitscharenmusik in Europa imitiert. Nach der Aufhebung des Janitscharenkorps (1826) wurden mehrfach historisierend traditionelle Militärkapellen gegründet, zuletzt 1952.
 
Von großer Vielfalt in Form, Darstellung und Instrumentarium spiegeln die ländliche Musik und der Volkstanz die ethnische Bevölkerungsschichtung der Türkei und ihre historische Entwicklung. In der Regel stehen hier dem engtönigen Melos der Kunstmusik diatonischen (zum Teil pentatonischen) Melodien gegenüber, wie auch in Sprache und Versmaß entsprechend einfachere Liedertexte. Neben fest metrisierten Volksliedern (türkü, mani) lassen metrisch freie, häufig in absteigendem Septimumfang gesungene »lange Lieder« (uzun hava) zentralasiatische Verwandtschaft erkennen, ebenso wie das Spiel auf großer Trommel (Dawul) und Oboe (Zurna), womit Volkstänze begleitet werden. Die halbprofessionellen Volkssänger (âşɪk), die sich selbst auf der Langhalslaute (Bağlama) begleiten, sind als Erben alttürkischer Barden- und islamisch-mystischer Troubadourtradition anzusehen (Aşik Veysel Şatiroğlu, * 1894, ✝ 1973).
 
 
E. Evliya: Turkish instruments of music in the seventeenth century (a. d. Türk., Glasgow 1937, Nachdr. Portland, Oreg., 1976);
 G. Oransay: Die melod. Linie u. der Begriff Makam der traditionellen türk. Kunstmusik vom 15. bis zum 19. Jh. (Ankara 1966);
 K. u. U. Reinhard: Musik der Türkei, 2 Bde. (1984).

Universal-Lexikon. 2012.

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